Lektion 7 – Ausdruck

In dieser Lektion spielst du mit Zeit und Klang.

Anstossen

Bisher habe ich dich immer dazu ermuntert, die Töne anzublasen. Es gibt aber auch eine andere Schule: Falls du Stunden bei einer Lehrperson mit einer klassischen Ausbildung auf einem Blechblasinstrument genommen hast, wird du wahrscheinlich das Anstossen gelernt haben. Dazu verschliesst du zuerst das „Ventil“ deiner Lippen, indem du die Zungenspitze an die Lücke zwischen den beiden Zahnreihen drückst; gleichzeitig erhöhst du den Luftdruck in deiner Mundhöhle (untere Darstellung, linker Teil). Dann ziehst du explosionsartig die Zungenspitze nach unten; der aufgestaute Luftdruck schiesst durch das Ventil und versetzt die Lippen augenblicklich in Vibration (rechter Teil der Grafik).

„ta“ oder „tü“!

Diese Bewegung der Zunge trainierst du seit deiner frühen Kindheit, denn es entspricht der Artikulation der Silbe „ta“ oder „tü“. Deshalb gelingt dir das Anstossen fast immer problemlos, wenn du ein „ta“ oder „tü“ in dein Alphorn bläst.

Beim Anstossen hast du eine sehr hohe Kontrolle, wann der Ton „losbricht“, denn deine Zungenspitze steuert das Geschehen direkt vor Ort. Beim Anblasen kommt der Impuls aus dem Zwerchfell und muss erst den verschlungenen Weg bis zu den Lippen finden. Dass Trompeter und Hornisten, die mit maximaler Präzision in Orchestern spielen, ihre Töne anstossen und nicht anblasen, ergibt vor diesem Hintergrund viel Sinn. Auch beim schnellen Spiel mit Staccato oder Jagdhorn-ähnlichen Stellen solltest du die Töne anstossen.

Das hat aber seinen Preis, denn im kurzen Moment, in dem die Zungenspitze das Ventil öffnet, geschehen zwei suboptimale Dinge: erstens wird die Luft verwirbelt – es gibt einen Knall; zweitens hat die Zunge noch nicht den Luftkanal für die Tonhöhe geformt, denn sie ist ja vorläufig damit beschäftigt, die Zungenspitze nach unten zu ziehen (also so etwas wie die Heisenbergsche Unschärfe für AlphornbläserInnen). Wenn du dir nochmals das Video aus Lektion 4 ab etwa 0:53 anschaust, dann siehst du dort, wie die Zunge erst nach dem Anstossen ihre Position findet; in diesem kleinen Zeitfenster klingt der Ton unsauber.

Das Thema Anstossen stellt sich nicht nur nach einer Pause, sondern auch zwischen zwei dicht aufeinander folgenden Tönen. Ab einer gewissen Geschwindigkeit, schaffst du es einfach nicht mehr, jeden Ton einzeln anzublasen. Wahrscheinlich nimmst du dann intuitiv die Zunge wie beim Anstossen oben zu Hilfe. Die Hauptfunktion der Zunge liegt dann aber im ersten Teil der Bewegung: sie unterbricht nur kurz den Luftfluss und erlaubt damit den Lippen, sich schneller auf die neue Frequenz einzuschwingen. Um den harten Knall des Anstossens abzuschwächen, kannst du die Lippenbewegung feiner durchführen (Silbe „da“). Oder noch besser: du stösst die Zunge im Gaumen an (Silbe „ga“). Das Anstossen im Gaumen kannst du ebenfalls im Video aus Lektion 4 beobachten; hier noch die grafische Darstellung:

„ga“!

Hüllkurven

Die Artikulation deiner Töne ist die kleinste Einheit deiner Gestaltung. Je präziser du sie kontrollierst, umso differenzierter wird deine Gestaltung. Das ist ähnlich wie bei einem Maler, der zuerst die Technik des Pinselstrichs meistern muss, bevor er sich am grossen Ölgemälde versucht. Dabei gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen feinmotorischer Umsetzung und Klang. Um dein Verständnis dafür zu verfeinern, ist das Konzept der „Hüllkurve“ (auch „ADSR-Kurve“) nützlich. Eine Hüllkurve besteht aus vier Phasen:

  • A = Attack. Ansprache. Der Ton wird angestossen oder schwillt an (bei Tasteninstrumenten: Taste wird gedrückt).
  • D = Decay. Der Ton fällt auf sein stabiles Niveau.
  • S = Sustain. Gehaltener Ton.
  • R = Release. Ausklingen (Loslassen der Taste).
Entwicklung eines Tones über die Zeit.

Du kannst nun im Hinblick auf diese vier Phasen genau auf deine Töne hören. Unten vier verschiedene Artikulationen. Ein Unterschied zeigt sich gleich in der A(ttack)-Phase: Wenn du deinen Ton anbläst, braucht er eine gewisse Zeit um anzuschwellen; beim Anstossen verläuft die A sehr steil. Einen zweiten Unterschied siehst du in der D(ecay)-Phase: beim Anblasen gibt es kein D, während es beim Anstossen deutlich wahrnehmbar verläuft. Es ist aber nicht nur der Verlauf der Intensität, der sich unterscheidet: beim Anstossen hörst du immer auch unweigerlich ein Schmatz-Geräusch (den Knall) und der gehaltene Ton braucht danach etwas Zeit um sich zu stabilisieren. Die so angespielten Töne haben eine unterschiedliche Wirkung: Dein Spiel klingt geschmeidiger und lyrischer („Alphorn-mässig“), wenn du die Töne anbläst. Nimmst du die Zungenspitze zur Hilfe, klingst du mehr wie ein Jagdhorn. Natürlich gibt es auch einen Zwischenbereich; je nach Intensität des Anstossens, wird das A und D steiler oder flacher. Auch das Anstossen am Gaumen statt an den Zähnen wirkt sich auf den Ton aus.

Das Vokabular der Hüllkurven ist auch für den Rest des Lebenszyklus deiner Töne nützlich. So klingt beispielsweise ein langes S(ustain) mit einem kurzen R(elease) „selbstbewusst“, während ein kurzes S mit einem langen R eher einen „verträumten“ Eindruck macht.

Problematisch ist die zögerliche Artikulation. AnfängerInnen mit Zweifeln an ihrer Treffsicherheit neigen dazu, jeden Ton zuerst leise anzuspielen, um ihn dann allenfalls korrigieren zu können. Das Resultat – man spricht von „nachdrücken“ – klingt einfach übel. Versuche darum, dir das zögerliche Anblasen abzugewöhnen. Falls du Angst vor falschen Tönen hast, hier mein Ratschlag: Gebe dir ein Budget für falsche Töne, z.B. ein Ton von zehn darf falsch sein. Statt dich über jeden falschen Ton zu ärgern, kannst du dich am Schluss darüber freuen, wenn das Budget nicht aufgebraucht ist.

Klares Anblasen – kurzer A
Zögerliches Anblasen – gedrückter A
Anstossen – steiler A und D
Staccato – steiler A, kein S, kurzes R

Artikulations-Training

Ziel der Übung: Du lernst, welche Wirkung du mit unterschiedlichen Artikulationen erzielst.

Du kannst dazu eine beliebige Übung aus Workout für Alphorn und Büchel nehmen, z.B. #1.6:

Spiele die Übung mit unterschiedlichen Artikulationen. Spiele sehr langsam und höre genau auf die vier Phasen (A,D,S,R). Du kannst deine Töne zur Unterstützung auch visualisieren – z.B. mit einem Audio Recorder auf deinem Mobiltelefon oder mit diesem Online-Recorder. Experimentiere mit unterschiedlichen Versionen; spiele jede Version mehrmals durch, bis du die entsprechende Artikulation sicher beherrscht.

  • Anblasen: z.B. kurzes A, S bei allen Achteln gleich lang mit kurzem R; oder kurzes S mit langem R.
  • Anstossen: Extreme ausprobieren – markantes A mit starkem D; oder anstossen mit kaum wahrnehmbarem D.
  • Klassische Artikulationen verfeinern: Was passiert bei staccato oder marcato?
  • Übertreibungen: z.B. extrem kurze R, anblasen mit sehr langem A, …
  • Mit alternativen A & R experimentieren: mit Lippen anstossen („ba“), vom Gaumen abstossen („ga“), mit Stimmbändern abwürgen („nghhh“).

Versuche dann, die so trainierten Artikulationsformen beim Einstudieren neuer Stücke anzuwenden.

Rubato

Rubato ist eine Interpretationstechnik aus der Romantik, die hauptsächlich mit der Klaviermusik von Chopin und Schubert in Verbindung gebracht wird. „Rubato“ bedeutet auf italienisch „gestohlen“. Gemeint ist die Zeit, welche man sich nehmen kann (stiehlt), aber immer wieder zurückgeben muss – quasi um das Metronom wieder einzuholen. Die folgende Grafik zeigt schematisch, wie das aussehen könnte. Unten siehst du die starre Zeit-Skala eines Metronoms, darüber die gespielten Noten. Wenn du strikt im Takt spielst („linear“), dann stimmen die Töne exakt mit den Schlägen des Metronoms überein. Hier spielt jemand zuerst „zu langsam“, fällt damit innerhalb von zwei Takten mehr als einen Schlag zurück; dann jedoch gibt es eine Beschleunigung, und nach vier Takten ist der Grundschlag wieder im Metrum – da beginnt der nächste Zyklus.

Rubato wird seit Ende des 19. Jahrhunderts oft synonym mit dem Begriff „Agogik“ verwendet. Agogik bedeutet generell eine Veränderung des Tempos während dem Vortrag – und ist ein Bewertungskriterium des Eidgenössischen Jodlerverbandes. Aber Rubato ist spezifischer: die gestohlene Zeit wird in einem grösseren Zyklus wieder zurückgegeben. Die Variation der Geschwindigkeit ist nicht beliebig (nicht irgendeine Agogik), sondern folgt ihrerseits einem langsamen Rhythmus – die Musik „atmet“. Hier eine Demonstration von Robert Estrin, wie Rubato der Musik eine Seele gibt (englisch, leider habe ich kein entsprechendes deutsches Video gefunden):

Experiment: Höre dir – z.B. auf Spotify oder auf Youtube – verschiedene Interpretationen von Chopins Nocturne No. 2 an (Pollini, Rubinstein, Horowitz…); achte dabei insbesondere auf Gebrauch und Wirkung des Rubato. Falls du dich fragst, was das mit dem Alphorn zu tun hat: Chopin schrieb die Nocturnes in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, also just in der Geburtsphase der (erfundenen) Tradition des Alphorns. Um die „authentische“ Agogik zu verstehen, kommst du nicht um Chopin herum.

Was kannst du als AlphornbläserIn mitnehmen? Erstens die Einsicht, dass Tempovariationen ein starkes Gestaltungselement sind. Zweitens, dass die Agogik nur dann wirkt, wenn sie nicht beliebig ist. Tempovariationen sind kein Selbstzweck sondern Ausdruck einer Bewegung, die sich zusätzlich und in Spannung zum fixen Metrum abspielt. Auf dem Alphorn entspricht diese Bewegung oft einem langsamen „Atemzyklus“, der sich an den Phrasen orientiert.

Weiterführende Informationen

  • Aufsatz von Hans-Jürg Sommer über den Dialekt des Alphorns. Sommer leitet eine Agogik-Orthodoxie aus der Lebenswelt der Sennen ab – für meinen Geschmack etwas suspekt. Mit dem Bild des „Gummibandes“ beschreibt er letztlich die Grundidee des Rubato.
  • Die Idee, dass erst Tempovariationen über ein fixes Metrum der Musik Leben einflössen, findest du unter anderem in Form von Groove und Microtiming in Jazz, Funk und Rock. Der Anthropologe Charles Keil hat 1987 die Aussage gemacht, Musik sei nur dann berührend und sozial wertvoll, wenn sie vom Metrum abweiche (Music, to be personally involving and socially valuable, must be ‚out of time‘ and ‚out of tune‘.) – in Gassmanns Worten „nicht wie ein rhythmisch sattelfester Dorfmusikant“. Hier ein Artikel zum aktuellen Forschungsstand.

Agogik-Übungen

Ziel der Übung: Du entwickelst ein Bewusstsein für die Wirkung der Agogik.

Du kannst Agogik direkt beim Einstudieren neuer Stücke erkunden. Versuche dabei unterschiedliche Tempovariationen aus. Wenn in den Noten bereits Hinweise über die Gestaltung gemacht sind, nehme dies als Ausgangspunkt, d.h. versuche die Vorgaben genau umzusetzen. Dann experimentiere: übertreibe, mache das Gegenteil oder probiere völlig andere Tempovariationen aus. Höre dabei immer genau in die Musik: wie verändert sich die Wahrnehmung des Stücks zwischen den Varianten? Welche Variante passt am besten zum Stück?

Um spezifisch Rubato zu üben, kannst du mit einfachen Mustern arbeiten, wie beispielsweise dieses hier:

Beschleunige im ersten und verlangsame im zweiten Takt, so dass du auf den ersten Schlag des dritten Taktes wieder im Metrum bist; analog im 3. und 4. Takt. Spiele so zuerst mit, dann ohne Metronom. Drehe das Rubato-Muster um (zuerst langsamer, dann beschleunigen) und wende Rubato über die lange Phrase von 4 Takten an. Beobachte die Wirkung, die du so erzielst.

Improvisation

Ziel der Übung: Experimentiere frei mit unterschiedlichsten Elementen der Gestaltung.

Die freie Improvisation eignet sich sehr gut, um die Wirkung unterschiedlicher Ausdrucksformen zu erkunden. Gemeinsames Improvisieren macht besonders viel Spass – sei es mit anderen AlphornbläserInnen, Rhythmus-Instrumenten oder Gesang. Alleine ist das manchmal etwas schwierig – die Stille kann sich wie das weisse Blatt vor dem Dichter anfühlen. Hier ein paar Hinweise zum Loslegen.

  • Vorbemerkung: Das Problem ist meistens nicht der Mangel an Ideen, sondern Hemmungen sich auf scheinbar triviale Ideen einzulassen. Spiele hemmungslos!
  • Spiele mit der ganzen Palette! Beim Improvisieren geht es nicht einzig um Tonfolgen, sondern um das Zusammenwirken von Tönen, Rhythmus, Dynamik, Kangfarbe, Tempo, ….
  • Aber auch: Einschränkungen wirken befreiend. Es ist hilfreich, der Improvisation ein stabiles Gerüst zu geben. Das kann beispielsweise ein starker Rhythmus sein, ein kurzes melodiöses Motiv, ein dynamisches Muster, oder eine reduzierte Auswahl an Tönen. Harmonisch dankbar sind abwechselnde Segmente in C-Dur (Spiele mit Schwerpunkt auf c-e-g) und G-Moll (g-b-d, ergänzt mit fa).
  • Bestehende Stücke eignen sich gut als Ausgangspunkt. Spiele zuerst das Stück oder einen Teil davon, dann nimmst du ein Element und spinnst es weiter.
  • Wenn dir eine eigenartige Tonfolge rausrutscht, dann wiederhole sie ein zweites oder drittes Mal. Wiederholungen legitimieren! Und je schräger das Material, umso interessantere Ideen können daraus entstehen.
  • Wenn du keine MitspielerInnen findest, kannst du auch eine Begleitung aus der Dose nehmen. Gut eignen sich beispielsweise Aufnahmen von Rhythmen (hier ein Beispiel mit Djembe).
  • Du darfst Hilfsmittel verwenden. Besonders gut geeignet sind Loop Stations; damit kannst du selber mehrere Stimmen aufzeichnen und kombinieren (hier ein Beispiel mit Arthur Henry; hier eine beeindruckende Impro von Arkady Shilkloper). Auch Drum Computer oder Groove Boxes (das gibt es auch als günstige Apps für das Handy) peppen deine Improvisationen auf. Ich improvisiere auch sehr gerne zu einer indischen Tanpura in elektronischer Ausführung (hier mein entsprechender Blogpost)
  • Nimm dich selber auf oder filme dich. So kannst du an einer Idee an einem anderen Tag weiterbasteln.
  • Improvisiere draussen – der Klang der Berge ist eine tolle Inspiration für das freie Spiel.

Und wenn du nun im Zusammenspiel mit anderen improvisierst, hier die legendären Tips von Chick Corea:

Der Klang der Berge

Der Alphorn-Papst Alfred Leonz Gassmann hat in seinen Zehn Geboten von 1938 gleich im ersten Satz verkündet: „Das Alphorn gehört in die Berge hinein!“ (mehr dazu in Lektion 10). Er sagt auch, auf was es ihm ankommt, nämlich die „Fernwirkung“ und das Echo. Diese Verbindung von Alphorn und Echo ist im helvetischen kollektiven Unterbewusstsein fest verankert. Emblematisch dafür ist die Vita des Alois Bucher, der mit Büchel und Alphorn nach dem perfekten Echo suchte – und so dem heutigen Artistic Research zwei Jahrzehnte voraus war. Das Echo ist in der Ästhetik des Alphorns so präsent, dass es in vielen Stücken gleich mit-komponiert ist. Als Beispiel hier die letzte Notenlinie von Gassmanns „Am Vierwaldstättersee“ mit zwei Echo-Stellen zum Abschluss.

Es ist eine starke Erfahrung, das Alphorn an Orten mit einem deutlichen Echo zu spielen. Natürlich gibt es in den Bergen viele solche Plätze. Das Projekt Echotopos um Christian Zehnder erfasst Echo-Orte der Schweiz auf einer interaktiven Karte; integriert wurde auch dort auch die Liste von Aurel Wyser. Am besten machst du dich selber mit deinem Instrument auf die Suche. Das klarste Echo findest du dabei nicht auf den Berggipfeln sondern in Talkesseln, an Bergseen und gegenüber von steilen Felswänden. Auch jenseits der Berge gibt es spannende akustische Umgebungen: im Wald, im Parkhaus, im Wasserreservoir, in Staumauern und unter Brücken. Mein persönlicher Lieblingsort ist die Ankerbucht Krušćica auf der Insel Cres in Kroatien.

Technisch affine AlphornbläserInnen können das Echo auch mit nach hause nehmen. Als Pionier hat der Berner Res Margot schon in den 1990ern mit elektronischen Delays experimentiert. Inzwischen ist das keine grosse Sache mehr: es braucht lediglich ein Mikrofon, etwas Hard- und Software (das Schlüsselwort lautet „Convolution Reverb„), und eine Verstärker-Anlage. Gerade im Winter spiele ich in meinem Übungsraum gerne frei zu den simulierten Echos und reise mit geschlossenen Augen in Atomkraftwerke, Tropfsteinhöhlen und den Taj Mahal. Auf dem Online-Reverb Simulator von Ashley Aitken kannst du das auch ohne aufwändigem Setup mit deinem Laptop oder Handy ausprobieren – die Website simuliert das Echo eines riesigen unterirdischen Öltanks in Schottland.

Warum uns die Magie des Echos in den Bann zieht, hat mir noch niemand genau erklären können. Immerhin hat die Musikforschung Hinweise gefunden, dass Nachhall die Intensivität der subjektiven Musikwahrnehmung verstärkt und zu emotional überwältigenden Hörerlebnissen führen kann – darum ist Reverberation eine zentrale Komponente des „Deep Listening“. Dass gerade beim Alphorn das Echo wirkt, hat möglicherweise mit dem Verschmelzen der Obertöne zu tun. Vielleicht hören wir dank dem Echo aber auch einfach intensiver auf die Stille zwischen den Noten.

Weiterführende Informationen

  • Adrian Linder (2016). Alois Bucher – Ethnologe, Alphornmissionar, Büchelbläser, Echoforscher. Ein Porträt des kauzigen Alois Bucher (1928–2009), der mit Alphorn und Büchel das perfekte Echo suchte.
  • Sabine Kuster (2021). Schreien in der Stadt. Liebevoller Artikel im Berner Tagblatt zu Echos im urbanen Raum.
  • Wenn du zuhause Echos elektronisch produzieren möchtest, hast du zwei Möglichkeiten: via Computer oder via Loop Station. In beiden Fällen brauchst du ein anständiges Mikrofon (mindestens ein günstiges Gesangsmikrofon wie das Shure SM58), Verstärker und Lautsprecher. Wenn du mit einem Computer arbeitest, benötigst du zusätzlich ein Interface (z.B. das Focusrite Scarlett 2i2) und eine DAW (Digital Audio Workstation, also eine Software) mit einem Reverb-Plugin. Falls du deine Stereoanlage als Verstärker und eine Opensource-DAW benutzt, bist du ab 300 CHF dabei; arbeitest du mit einer Software wie Ableton Live, kommen nochmals mindestens 500 CHF dazu. Alleine zur Produktion von Echos ist das ein stolzer Preis; allerdings öffnet dir ein solcher Musikproduktions-Setup noch unzählige weitere Möglichkeiten. Eine Loop Station ist einfacher und mobiler, von der Funktion her jedoch eingeschränkter und nicht primär auf Echos ausgerichtet (wahrscheinlich hast du nur einfache „Delay“, „Hall“, „Chorus“ und/oder „Reverb“ Effekte).