Lektion 8 – Flexibilität

In dieser Lektion verzichtest du auf Theorie und erweiterst deine technischen Möglichkeiten.

Stretching im Tonraum

Ziel der Übung: Flexibilität über alle Tonhöhen.

Viele AlphornbläserInnen kämpfen damit, dass sie zwischen den tieferen und höheren Tönen ihren Ansatz „umbauen“ (auf die neue Tonhöhe anpassen) müssen. Ich kenne das Problem aus eigener Erfahrung. Geholfen hat mir das gezielte Training an der Unwucht. Im Workout für Alphorn und Büchel findest du passende Übungen.

  • Lange Läufe, #1.1-1.5: Passe den Tonraum gezielt auf den Bereich an, in dem du Umbauen musst. Beginne mit einem kurzen Segment über und unter dem Bruch. Übe legato (alle Noten binden). Plus die üblichen Ratschläge: beginne langsam, präzise im Metrum, mehrmals und flüssig wiederholen, dann nach oben und unten erweitern. Schliesslich Geschwindigkeit in kleinen Schritten steigern.
  • Glissandi, #1.13: als Steigerung der langen Läufe. Der Trick beim Glissando-Spiel besteht darin, sich von Anfang an auf den Schlusston zu konzentrieren – ausgehend vom Anfangston gleitest du dann auf diesen Schlusston zu. Damit die Zunge dabei trotzdem alle Töne streift braucht es ….. Übung!
  • Schnelle Wechsel zwischen den Registern. Nimm eine kurze Tonfolge (z.B. aus #7.2) und spiele sie abwechselnd klar über und klar unter der kritischen Stelle. Das könnte dann so aussehen:

Wenn du am Umbau-Problem leidest, solltest du täglich daran arbeiten. Läufe und Glissandi sind auch eine hervorragende Warm-Up-Methode; so löst du vielleicht zwei Themen auf einmal.

Lippentriller

Ziel der Übung: Maximale Effizienz.

Der Lippentriller heisst so, weil die Lippen dabei nichts machen. Die Zunge alleine bindet zwischen zwei Tönen schnell hin und her, während die Lippen stoisch ihre Spannung halten. Hier ein schönes Beispiel für den Einsatz des Lippentrillers:

aus: „Variationen des ‚Moos-Ruef‘ von Hans-Jürg Sommer“ von Bill Hopson

Rechne damit, dass die Beherrschung des Lippentrillers etwa zwei Jahre regelmässiges Training erfordert. Wobei: es gibt keine Mindestgeschwindigkeit, ab der du den Triller „kannst“ bzw. bis du der du ihn „nicht kannst“. Hier sind die empfohlenen Trainingsmethoden:

  • Trockentraining mit Vokalen a-ä-e-i: Das ist quasi die Reinform des Zungen-Effizienztrainings. Lege die Zungenspitze an die untere Zahnreihe und beginne bei „a“. Gleite dann zum nächsten Vokal, ohne dabei Lautstärke oder Tonhöhe zu verändern. Ausser der Zunge sollte sich nichts bewegen – überprüfe das im Spiegel. Übe täglich. Wenn die Bewegung sitzt, kannst du die Geschwindigkeit steigern. Von da zum Lippentriller ist ein Klacks. Das ist übrigens die Methode von Malte Burba, von dem wir schon oben gesprochen haben.
  • Pfeifen: Eine Alternative zum vorherigen Trockentraining.
  • Aufbauende Übungen direkt auf dem Alphorn: Im Workout für Alphorn und Büchel findest du spezifische Übungen für den Lippentriller. #32 haben mir mehrere Alphornlehrer empfohlen, #31 hat bei mir besser funktioniert. Wichtig ist auf jeden Fall auch hier die Effizienz: überprüfe regelmässig im Spiegel, ob die Gesichtsmuskeln stabil sind.

Als Ergänzung die Anleitung des Hornisten Peter Dorfmayr:

Lip Bending

Ziel der Übung: Verbesserung von Intonation und Klangfarbe.

Der englische Begriff „lip bending“ wird auf deutsch mit „Töne treiben“ oder „Töne biegen“ übersetzt. Gemeint ist das Ausloten der Intonation / Tonhöhe, ohne dass du dabei in den nächsten Ton rutscht. Auf dem Alphorn hast du damit so etwas wie den Whammy Bar auf der Gitarre. So geht das:

  • Am einfachsten gelingt das Lip Bending von tiefen Tönen (weil da die Distanz zwischen den Tönen am grössten ist) und von oben nach unten. Beginne also beispielsweise mit dem g oder dem c1 und versuche, mittels Zunge und Lippen die Intonation leicht nach unten zu verschieben.
  • Nimm ein Stimmgerät hinzu (bzw. eine Tuner App) – es zeigt dir, wo du genau bist und unterstützt dich beim Gehörtraining.
  • Beginne mit kleinen Abweichungen und kehre wieder zum reinen Ton zurück. Versuche, in jedem Durchgang etwas weiter nach unten zu gelangen.
  • Gestalte die Zyklen langsam. Das Bending nach unten sollte mindestens drei Sekunden brauchen und möglichst linear verlaufen. Benutze allenfalls ein Metronom.
  • Etwa auf halbem Weg zum nächst tieferen Ton beginnt der Ton zu flattern. Versuche an dieser Grenze zu verweilen, ohne durchzurutschen, dann kehre zurück zum Ausangston.

Wenn du diese Grundform beherrscht, kannst du versuchen, das Lip Bending während dem Spielen bewusst einzusetzen. Du kannst die Technik auch weiter verfeinern, indem du das Bending nach oben oder kontinuierlich Tonhöhen-Veränderungen zwischen zwei Naturtönen versuchst (Disclaimer: das schaffe ich nicht).

Vibrato

Ziel der Übung: Klassischen Effekt erzeugen.

Vibrato ist wie ein feines Gewürz: sparsam und am richtigen Ort eingesetzt erzielt es einen betörenden Effekt (andere vergleichen Vibrato mit Wimperntusche). In Alphorn-Chorälen hat Vibrato nichts zu suchen; mehrere Alphörner können nicht zusammen Vibrato spielen. Auch laute, Jagdhorn-ähnliche Stellen passen nicht zu Vibrato. Aber der langgezogene Ton an der delikatesten Stelle im Solo, der gewinnt mit einem feinen, kaum hörbaren Vibrato nochmals an sublimer Qualität.

Beim Vibrato veränderst du in relativ hoher Frequenz die Intonation und/oder Klangfarbe des Tones. Dafür gibt es verschiedene technische Möglichkeiten:

  • Mit dem Zwerchfell: oft erwähnt, aber ich habe noch niemanden getroffen, der es auch anwendet
  • Mit der Zunge: analog zum Lippentriller, aber mit viel feineren Bewegungen; manche benutzen dazu auch Vokale wie „uihuihuih“. Empfehlung Nr. 1.
  • Mit der Hand: Vor allem Trompeter „schütteln“ ihr Instrument; das Vibrato entsteht dann durch rhythmische Veränderungen des Lippendrucks. Für das Alphorn ist diese Methode aus offensichtlichen physikalischen Gründen schwer anwendbar.
  • Mit den Lippen: Hier ist die Herausforderung, einen Muskel zu finden, der nicht gleichzeitig mit dem stabilen Ansatz beschäftigt ist. Man kann dazu den Unterkiefer benutzen. Empfehlung Nr. 2.

Na dann los. Versuche die beiden Empfehlungen aus, entscheide dich für eine und wende sie auf ein passendes Stück oder bei der freien Improvisation an.

Und noch ein Tip meines Lehrers Matthias Kofmehl: Vibrato wirkt besonders schön, wenn du den Ton zuerst einen Moment gerade aushältst und erst dann ins Vibrato übergehst.

Doppelzunge

Ziel der Übung: schnelles Staccato.

Beim Zungenschlag (treffender „Doppelzunge“ oder „doppelter Zungenstoss“) stösst du die Töne abwechselnd an den Zähnen und den Gaumen an. Was da in deinem Mund abgeht, siehst du im Video von Kapitel 4 ab 6:29 (langsam) und 6:54 (schnell). Du erreichst diese Bewegung mit den Silben „ta-ka ta-ka ta-ka….“. Um die Doppelzunge zu üben, beginnst du mit einer mittleren Tonhöhe (z.B g1); übe dann mit dem Metronom auf 1/8-, 1/16- oder 1/32-Noten. Das Ziel hier ist letztlich eine hohe Geschwindigkeit – aber immer sauber ausgeführt! Übe dann auch mit anderen Tonhöhen.

Im Workout für Alphorn und Büchel findest du weitere Übungen (#2.1-2.3):

Bei der „Tripelzunge“ („dreifacher Zungenstoss“) machst du 3er-Pakete: „ta-ka-ta ta-ka-ta ta-ka-ta“. Auch dazu findest du passende Übungen (#2.4-2.6). Das Training mit Doppel- und Triplezunge verbessert deine Zungenkontrolle und Ausdauer. Du kannst natürlich auch ohne Instrument trainieren oder andere rhythmische Muster ausprobieren (z.B. einen Tresillo).

Doppel- und Trippelzunge gehören nicht zum orthodoxen „Dialekt des Alphorns“. Sie erinnern eher an ein Jagdhorn oder militärische Signalhörner (ensprechend oft findest du sie in den Bugle Calls der amerikanischen Kavallierie). Nichts hält dich jedoch von ab, sie als Stilmittel punktuell einzusetzen.